Im Zusammenhang mit Umweltauswirkungen ist immer wieder von Externalitäten, externen Kosten und Umweltabgaben die Rede. Doch was sind externe Kosten? Wer hat diese Kosten zu tragen? Und was hat das mit der Klimakrise zu tun?
Der bekannte amerikanische Ökonom Nicholas Gregory Mankiw definiert Externalitäten (Synonym Externe Effekte) wie folgt: «Ein externer Effekt ist die Auswirkung ökonomischen Handelns auf die Wohlfahrt eines unbeteiligten Dritten, für die niemand bezahlt oder einen Ausgleich erhält». Es gibt viele verschiedene Szenarien, in denen externe Effekte auftreten – positive und negative. Dieser Blog konzentriert sich auf die negativen – auch externe Kosten genannt. Der wohl bekannteste Fall von externen Kosten, an dessen Beispiel hier eine vereinfachte Erklärung versucht wird, entsteht bei der Produktion von Gütern.
Ein Verursacher von negativen Externalitäten berücksichtigt nicht alle Kosten, die bei der Produktion seines Guts entstehen, sondern nur seine betriebsinternen Kosten, also die Kosten, die er selbst trägt. Einen gewissen Teil seiner Kosten lagert er bewusst oder unbewusst an Dritte aus. Er «externalisiert» also Kosten. Ein Beispiel: Eine Textilfirma (In diesem Beispiel unser Produzent) leitet Chemikalien, die bei der Produktion von Textilien entstehen, in ein Gewässer, in welchem als Folge davon der Fischbestand zurückgeht. Neben dem offensichtlichen Schaden an Flora und Fauna durch die Chemikalien, erleiden beispielsweise auch Fischer (unbeteiligte Dritte), die am Gewässer fischen, einen finanziellen Schaden, weil sie weniger Fische angeln können. Für den Fischer sowie für die öffentliche Verwaltung, die das Gewässer reinigen muss, entstehen Kosten. Diese Kosten sind aber nicht im Preis des Gutes, also der Textilien, berücksichtigt – da die Textilfirma nur ihre betriebsinternen Kosten kalkuliert hat. Wären alle Kosten berücksichtigt, auch diejenigen, die aktuell nicht die Textilfirma trägt, müssten die verkauften Textilien ja teurer sein, weil sie beispielsweise auch für eine bessere Reinigung des Abwassers aufkommen müsste.
Bei einem höheren Preis ist es wahrscheinlich, dass Kundinnen zu einem anderen Textil-Hersteller abwandern, der das Produkt günstiger anbieten kann, weil er keine externen Kosten berappen muss. Das Unternehmen bietet seine Textilien momentan also zu günstig an und kann so mehr Textilien verkaufen. Die Fischer, die öffentliche Verwaltung und die Allgemeinheit tragen aktuell, zu Unrecht, die externen Kosten für die Textilfirma.
Die Analogie mit dem verschmutzten Gewässer lässt sich auf viele weitere Probleme übertragen. Im Umweltkontext wird oft von externen Effekten durch Treibhausgase gesprochen. Bekanntlich entstehen klimarelevante Treibhausgase auf verschiedene Arten, wie zum Beispiel durch das Verbrennen von fossilen Treibstoffen im Verkehr, in der Industrie und beim Heizen unserer Gebäude sowie in der Landwirtschaft durch stickstoffhaltige Dünger und die Massentierhaltung. Diese Treibhausgase verstärken den Klimawandel und führen somit zu externen Kosten für die gesamte Gesellschaft. Die Klimakrise verursacht schliesslich eine ganze Menge an monetären und nichtmonetären Kosten. Wie vermeidet man also externe Kosten – auf Ebene einer einzelnen Textilfirma oder aber auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene?
Wie kann man externe Kosten «internalisieren?»
Die Volkswirtschaftslehre bietet verschiedene Lösungsansätze für negative externe Effekte. Einerseits gibt es die sogenannten privaten Lösungen, andererseits öffentliche oder politische Lösungen. Private Lösungen, also solche ohne Eingreifen des Staates, wären zum Beispiel soziale Normen und moralisches Verhalten. Wenn gemäss unserer Analogie also das Textilunternehmen moralisch handelt, findet es selbst einen Weg, kein giftiges Abwasser mehr in den Fluss zu leiten und reinigt das Abwasser besser. Denkbar wäre auch eine vertragliche Lösung zwischen den Betroffenen und den Verursachern.
Eine politische Lösung für unseren Gewässer-Fall wäre zum Beispiel ein Verbot, giftige Chemikalien in Gewässer zu leiten. Ein solches Gesetz kennen die Schweiz und wohl die meisten Staaten auf der Welt. Neben Geboten oder Verboten gibt es marktbasierte Massnahmen wie Abgaben, Steuern oder handelbare Umweltzertifikate. Diese erklären wir in einem separaten Blog-Beitrag.
Werden die Kosten aber weder mit privaten noch mit politischen Massnahmen internalisiert, nehmen nicht nur unbeteiligte Dritte oder die Natur Schaden – auch rein volkswirtschaftlich gesprochen, liegt ein Marktversagen vor: Der Marktmechanismus aus Angebot und Nachfrage führt nicht zu den volkswirtschaftlich wünschenswerten Ergebnissen und die Produktionsfaktoren werden nicht so verwendet, dass sie den größtmöglichen Ertrag für die Gesamtwirtschaft bringen.
Soweit die ökonomische Theorie. In der Praxis gestaltet sich eine Internalisierung oft sehr schwierig. Betrifft ein externer Effekt die gesamte Gesellschaft, wie beispielsweise der durch Treibhausgase beschleunigte Klimawandel, dann gibt es viele Hürden, bis die Kosten internalisiert werden können. Wie beziffert man einen solchen externen Effekt? Ist allen Betroffenen klar, dass der Konsum von gewissen Gütern externe Kosten verursacht, und diese somit eigentlich mehr kosten müssten? Sind Unternehmen und Privatpersonen bereit, plötzlich mehr für ein Gut zu bezahlen, um die Gesellschaft nicht zu belasten? Dazu kommen politische Hürden: Haben Politikerinnen genügend Anreize, Kosten zu internalisieren oder wollen sie lieber populäre Massnahmen umsetzen, die ihnen die Wiederwahl ermöglichen? Haben die Wähler genügend Anreize über solche Themen abzustimmen? Wie verhalten sich Lobbyistinnen und Beamte?
Diese und weitere Fragen müssen wir uns als Gesellschaft im Angesicht der Klimakrise beantworten. Denn externe Effekte durch den Verkehr, die Industrie oder die Landwirtschaft sind vielfältig und zahlreich. Und wollen wir eine Chance auf die Erreichung der Pariser Klimaziele wahren, dann sind jetzt Konsequenzen gefragt. Auch rein ökonomisch gesehen!
Weitere Unterlagen zu diesem Thema findest du hier:
🎥 Videos
📃 Artikel, Studien und Literatur
🎧 Podcasts
📃 Externe Kosten und Nutzen des Verkehrs in der Schweiz:
📃 Das deutsche Umweltbundesamt beziffert Umweltkosen im Verkehr, der Landwirtschaft und weiteren Sektoren:
📃 Ein Artikel der Handleszeitung zum Thema externe Kosten:
Quellen:
Mankiw (2018) Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel
Klima-Allianz Schweiz (2016) Klima-Masterplan: Erster Schweizer Plan zur Umsetzung des Pariser Abkommens, Abgerufen von: https://www.klima-allianz.ch/beitrag/klima-masterplan-erster-schweizer-plan-zur-umsetzung-des-pariser-abkommens/
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