Jedes Engagement lohnt sich
- Ion Karagounis
- vor 2 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
Seit mehr als dreissig Jahren engagiere ich mich für den Umweltschutz. Dabei habe ich viele Hochs und Tiefs erlebt. Gerade jetzt durchlaufen wir ein besonders kräftiges Tief. Corona, der russische Krieg in der Ukraine und Trump 2.0 beschäftigen die ganze Welt. Weniger dringliches – und dazu zählt der Umweltschutz für viele – muss hintenanstehen. Schlimmer noch: Für viele ist der Umweltschutz (genauer gesagt: die Umweltschützer:innen) zum Feindbild verkommen.
Wie konnte es soweit kommen? Wieso ist man heute nur noch dafür oder dagegen, und nicht mehr bereit, gemeinsam akzeptable Lösungen zu suchen?
Die Gründe sind meist schnell benannt: Die zunehmende Polarisierung in Politik, in den Medien und in der Gesellschaft, befeuert durch das Dauerbashing in den sozialen Medien. Das ist nur teilweise richtig. Es liegt auch am Umweltschutz selbst. Die Herausforderungen haben sich massiv gewandelt. Ende des letzten Jahrhunderts ging es um lokale Probleme wie die Gewässerverschmutzung, die sich meist mit technischen Massnahmen lösen liessen – bei den Gewässern mit dem Bau von Kläranlagen. Heute stehen wir mit dem Klimawandel und dem Verlust der Artenvielfalt vor einer globalen Herausforderung. Sie rüttelt am Fundament unserer Gesellschaft, sie stellt unsere Errungenschaften und unseren Lebensstil in Frage. Nicht nur im globalen Süden, sondern genauso bei uns. Das macht vielen Menschen Angst.
Einfache Lösungen gibt es nicht, und es braucht mehr als technische Ansätze: Gemeinsinn, Rücksichtnahme, gegenseitiges Verständnis, Zusammenarbeit über die Grenzen hinaus und Solidarität mit den Schwachen. An alldem fehlt es zurzeit. Das Konkurrenzdenken, die zügellosen Machtansprüche alter Männer, das Leugnen unangenehmer Tatsachen und die Ausgrenzung nicht genehmer Meinungen erschweren es, sachgerecht und schnell genug auf die Bedrohungen zu reagieren.
Es gibt diesen schönen Leitspruch «Change by Design, not by Desaster». Dahinter steckt die Idee, dass man den Wandel hin zu einer umweltfreundlichen Wirtschaft vorausschauend und klug steuern und damit grössere Katastrophen verhindern kann. Es gibt viel wissenschaftliche Forschung und Literatur zu diesem Thema. Wir beim WWF oder beim One Planet Lab versuchen, diese Ideen in den Alltag zu bringen.
Was in der Theorie überzeugend klingt, lässt sich leider nicht so einfach umsetzen. Wir werden kaum verhindern können, dass wir auf dem Weg zu einer klimaverträglichen Gesellschaft und Wirtschaft Umwege gehen werden. Sie werden viel Leid mit sich bringen, viel mehr, als theoretisch notwendig wäre.
Selbst wenn das ewige Auf und Ab frustrieren, bin ich überzeugt: Jedes Engagement lohnt sich, gerade jetzt, wo vieles gegen die Umwelt zu laufen scheint. Denn jedes Leid, das wir verhindern oder verringern können, ist den Einsatz wert. Kürzlich las ich ein Zitat von Dag Hammarskjöld, dem Generalsekretär der Uno in den Fünfzigerjahren: «Die Vereinten Nationen wurden nicht gegründet, um die Menschheit in den Himmel zu führen, sondern um sie vor der Hölle zu bewahren.» Dasselbe gilt für den Umweltschutz. Genau deshalb engagiere ich mich seit dreissig Jahren für ihn.
Gerne entschuldigen wir unser zögerliches Vorgehen mit der Aussage: «Wir wissen ohnehin nicht, was die Zukunft bringen wird». Das ist falsch. Denn auf die Natur ist Verlass. Wir wissen unterdessen sehr genau, wie sie reagieren wird, wenn die CO2-Emissionen hoch bleiben und die Temperaturen weiter steigen: mehr Starkregen, mehr Stürme, mehr Dürren und steigende Meeresspiegel. Wir wissen was passieren wird, wenn wir weiterhin riesige Waldflächen vernichten und wenn wir die Meere leerfischen: Unsere biologischen Ressourcen und das Nahrungsmittelangebot werden kleiner.
Der grösste Unsicherheitsfaktor ist der Mensch selbst. «Werden wir die Klimakrise in den Griff kriegen?» Immer wieder werde ich dies gefragt bei Vorträgen und an Podien. Leider gehöre ich nicht zu den Menschen, die mit grenzenlosem Optimismus ausgestattet sind. Meist fällt meine Antwort ausweichend aus: Wir haben das Wissen und wir kennen die Möglichkeiten. Ob wir die Chance nutzen werden, ist eine andere Frage.
Was mich zweifeln lässt:
Das Verharmlosen oder Leugnen von Fakten
Der Glaube an einfache und bequeme Lösungen
Die Zahlen, zum Beispiel die weiterhin steigenden CO2-Emissionen
Die Zustimmung im Grundsätzlichen und die Ablehnung, wenn es konkret wird.
Die Sehnsucht, es möge alles wieder so sein, wie es früher war.
Was mich hoffen lässt:
Die vielen (jungen) Menschen, die sich für unsere Umwelt engagieren
Die Zahlen, zum Beispiel die sinkenden Preise bei der Photovoltaik und den Batterien
Die Anpassungsfähigkeit des Menschen, wenn es wirklich brennt
Selbst wenn es zynisch tönt: der wachsende Leidensdruck (überflutete Keller, abgebrannte Häuser, verschüttete Verkehrswege)
Der Optimismus und Gestaltungswille des Menschen
Mein Fazit: Wer, wie ich und gerade heute, zu Pessimismus neigt, sollte nicht vergessen: Immer nur das schlimmstmögliche Szenario vor Augen zu haben, ständig nachzugrübeln, sich in der Endlosschlaufe des drohenden Niedergangs zu drehen, das macht uns krank. Optimismus, Spontaneität und Kreativität, das sind die Eigenschaften, die uns Menschen immer wieder weitergebracht haben. Immer wieder neu Hoffnung zu schöpfen, selbst wenn die Ausgangslage, nüchtern betrachtet, wenig vorteilhaft sein mag. Das gilt nicht nur für die Entwicklung neuer Medikamente oder für neue Anwendungen der Künstlichen Intelligenz, sondern auch für die Abwehr der Umweltkrise.

Dies war der letzte Beitrag von Ion Karagounis für den Rethink-Blog des One Planet Lab. Weitere Texte oder eine Leseprobe aus seinem Roman «Was wir hinterlassen», gibt es auf https://was-wir-hinterlassen.chese Zielwerte kommunizieren, ohne die Menschen sogleich gegen uns aufzubringen?
Der nächste Blogbeitrag erscheint im August 2025.
Das One-Plane-Lab-Team freut sich über eure Kommentare und Ideen.
Alle bisherigen Blogbeiträge hier.
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