Es ist inzwischen weithin anerkannt, dass die Wegwerf- und Konsumkultur der Menschheit zutiefst unhaltbar ist und dass eine Umstellung auf langlebige und reparierbare Produkte eine Notwendigkeit ist. Wie können wir angesichts der vielen Herausforderungen und der systemischen Trägheit, die es zu überwinden gilt, einen solchen Wandel erreichen? Genau mit dieser Frage haben wir uns am 16. Oktober im Kulturpark Zürich befasst.
Unter dem Titel «Built to last – Product longevity and repairability in Switzerland» kamen Expertinnen aus verschiedenen Branchen, Politiker*innen, Nachhaltigkeitsbegeisterte, und Umweltaktivist*innen zusammen, um konkrete Ansätze zu diskutieren, wie wir Reparierbarkeit fördern und eine funktionierende Kreislaufwirtschaft aufbauen können. In unserem Panel vertreten waren Joëlle Hérin von Greenpeace, Tom Koch von Rytec Schweiz, Andreas Lindau von der Stadt Zürich (ERZ) und Tanya Sonderegger von Transa. Moderiert wurde die Runde von Laurène Descamps, Co-Leiterin des One Planet Labs. Gemeinsam diskutierten sie über die Herausforderungen und Möglichkeiten, um Produkte so zu gestalten, dass sie nicht nur länger halten, sondern auch einfacher repariert werden können.
Das Potential im Reparieren
In der heutigen Konsumwelt werden Produkte oft weggeworfen, wenn sie kaputtgehen – selbst, wenn es nur kleine Schäden sind. Diese Wegwerfmentalität führt zu einer enormen Menge an Müll, speziell Elektroschrott, der in der Natur viele Jahre braucht, um sich abzubauen sowie grosse Mengen an vermeidbaren C02-Emissionen. In der Schweiz erzeugt jede Person jährlich rund 23 kg Elektroschrott – eine der höchsten Raten weltweit.
Joëlle Hérin von Greenpeace erklärte bei der Veranstaltung, wie gross das Wirkungspotenzial sein könnte, wenn wir Produkte länger verwenden würden. Beispielsweise würde eine Verlängerung der Lebensdauer eines Geräts um nur drei Jahre die Emissionen in der Schweiz um 15-30 % senken. Und das ist nur ein Beispiel: Allein bei Smartphones könnte Reparieren statt Ersetzen die Emissionen um das Fünffache reduzieren. Der Gedanke dahinter: Durch Reparieren können wir viele Ressourcen und Energie sparen, die sonst für die Produktion neuer Produkte benötigt würden.
Reparierbarkeit als neuer Standard: Der Reparaturindex
Ein grosses Thema bei der Veranstaltung war, wie Produkte so gestaltet werden können, dass sie leicht zu reparieren sind. Ein gutes Beispiel dafür ist der Reparaturindex, der in einigen Ländern wie zum Beispiel Frankreich bereits eingeführt wurde. Produkte werden dabei auf einer Skala von 1 bis 10 bewertet, je nachdem, wie einfach sie zu reparieren sind. Eine Schulthess-Waschmaschine zum Beispiel hat einen hohen Reparaturindex von 8,7 – das bedeutet, dass sie so gebaut ist, dass man sie gut reparieren kann.
Tom Koch von Rytec Schweiz brachte diese Beispiele für reparaturfreundlichen Produkte und erklärte, warum das wichtig ist: Produkte, die einfach zu reparieren sind, können länger genutzt werden und erzeugen weniger Abfall. Ausserdem steigern transparente Reparaturprozesse das Vertrauen der Konsumenten, die dann eher bereit sind, in langlebige Produkte zu investieren. Dies ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für den Geldbeutel, da man nicht ständig neue Produkte kaufen muss.
Hürden für Reparaturen: Was hindert uns daran?
Andreas Lindau von ERZ ging auf die vier Hauptgründe ein, warum Reparieren oft schwerfällt:
Hohe Reparaturkosten: Reparaturen sind oft teuer, und viele Menschen entscheiden sich daher lieber für ein neues Gerät.
Unpraktische Abläufe: Es ist manchmal kompliziert oder zeitaufwendig, ein Produkt zur Reparatur zu bringen.
Attraktivität neuer Produkte: Viele Menschen wollen lieber das neueste Modell, auch wenn das alte noch repariert werden könnte.
Schlechtes Design für Reparaturen: Viele Produkte sind so gebaut, dass es kaum möglich ist, sie zu reparieren, was das Wegwerfen fördert.
Um diese Probleme zu lösen, schlug Lindau vor, finanzielle Anreize zu schaffen – den sogenannten Reparaturbonus. Dieser Bonus könnte Menschen dabei unterstützen, die Reparaturkosten zu senken und sie dazu motivieren, Geräte zu reparieren, statt wegzuwerfen. Lindaus Aktionsplan für Zürich zielt darauf ab, temporäre Reparaturzentren und Beratungsdienste für KMU’s einzurichten, um die Reparaturpraxis als Schritt zur Kreislaufwirtschaft zu fördern.
Das Recht auf Reparatur: Verbraucherfreundliche Gesetze für nachhaltigere Produkte
Ein weiteres wichtiges Thema ist das „Recht auf Reparatur“. Dieses Gesetz soll sicherstellen, dass Verbraucher und unabhängige Werkstätten Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturanleitungen erhalten. In der Praxis bedeutet das, dass Hersteller nicht mehr einfach Ersatzteile für ältere Modelle zurückhalten können, sondern diese bereitstellen müssen, damit Geräte auch nach Jahren noch repariert werden können. Auf EU-Ebene wurde ein “Recht auf Reparatur” Anfang des Jahres im Europäischen Parlament angenommen. Somit sind die EU-Staaten verpflichtet, das “Recht auf Reparatur” in ihre nationalen Gesetze aufzunehmen.
Die Rolle des Kundenservice: Wie wir durch bessere Kommunikation mehr reparieren können
Tanya Sonderegger von Transa wies darauf hin, dass der Kundenservice eine entscheidende Rolle spielt, um Menschen über Repariermöglichkeiten aufzuklären. Oft wissen die Kunden gar nicht, dass es möglich wäre, ein Produkt zu reparieren. Hier könnte eine bessere Kommunikation helfen. Unternehmen sollten ihre Kunden gezielt darüber informieren, welche Reparaturmöglichkeiten es gibt und wie man langlebigere Produkte erkennen kann. Dadurch könnte eine starke Reparaturkultur entstehen, die die Umwelt schont und die Lebensdauer der Produkte verlängert.
Tanya betonte ausserdem den Bedarf und die Dringlichkeit, bessere politische Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Reparaturservices für Unternehmen als Geschäftsmodell lohnenswert sind und gleiche Spielregeln für alle gelten.
Ein Weg nach vorn: Politik, Zusammenarbeit und Verbraucherentwicklung
In der Podiumsdiskussion beschäftigten sich die Referenten mit der Frage, ob die Reparierbarkeit den Überkonsum und die Verschwendung bekämpfen könnte. Die Teilnehmer waren sich einig, dass eine nachhaltige Zukunft Verantwortlichkeit seitens der Hersteller und klare Verbraucherinformationen erfordert. Sie diskutierten die Bedeutung von Richtlinien, die Reparaturen über den Ersatz stellen und den Verbrauchern und Unternehmen helfen, nachhaltigere Praktiken anzunehmen.
Zentrale Erkenntnisse
Politische Unterstützung und Anreize: Der Reparaturbonus und das Recht auf Reparatur könnten Reparaturen attraktiver und einfacher machen.
Design für Langlebigkeit und den Reparaturindex: Produkte mit einem hohen Reparaturindex sind oft langlebiger und können einfacher repariert werden.
Aufklärung und Zugang: Temporäre Reparaturzentren und mehr Kommunikation könnten dazu beitragen, dass Menschen das Reparieren als eine gute Alternative zum Wegwerfen wahrnehmen.
Zusammengefasst zeigte die Veranstaltung „Built to Last?“, dass Reparierbarkeit nicht nur eine Option, sondern ein wesentlicher Bestandteil der nachhaltigen Entwicklung ist. Indem wir reparaturfreundliches Design unterstützen, lokale Reparaturdienste fördern und uns für wirkungsvolle politische Massnahmen einsetzen, können wir den Weg für eine Welt ebnen, in der Produkte länger halten, Abfall minimiert und nachhaltige Praktiken gefördert werden.
Es hat uns sehr gefreut, den Event in Zusammenarbeit mit unseren Partnern GreenBuzz Zürich, der Koalition "Lang Leben unsere Produkte" (hier mehr zum Testprojekt) und dem Tsüri Magazin im Rahmen von ihrem Circularity Month zu organisieren.
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