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AutorenbildIon Karagounis

Rethink Now Serie: Eine resiliente Wirtschaft



Resilienz – ein Modebegriff unter der Lupe


Seit einigen Jahren hat der Begriff «Resilienz» an Bedeutung gewonnen, die Corona-Pandemie hat ihm zusätzlichen Schub verliehen. Unsere Wirtschaft muss resilienter werden gegenüber möglichen Krisen, lautet eine vielgehörte Forderung, unabhängig davon, ob es sich nun um Corona, die Klimakrise oder die Finanzkrise von 2008 handelt. Doch was bedeutet Resilienz und ist eine resiliente Wirtschaft automatisch auch umweltfreundlich?


Resilienz bezeichnet die Fähigkeit eines Systems, weiter zu funktionieren, selbst wenn einzelne Bereiche als Folge einer Panne, eines Schocks oder einer Krise ausfallen. Den Begriff Resilienz gibt es in den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen – in den technischen Wissenschaften, in der Ökologie, Soziologe, Psychologie und, seit einiger Zeit, auch in der Ökonomie – und entsprechend muss er unterschiedlich ausgelegt werden.


Technische Systeme werden resilient, indem man Kapazitätsreserven (die Belastbarkeit einer Brücke ist höher als die zugelassene Nutzlast) oder Redundanzen (zwei Tragseile bei einer Seilbahn) einbaut. Ökologische Resilienz entsteht durch die unglaubliche Vielfalt von Interaktionen zwischen den Lebewesen sowie durch Kapazitätsreserven, die mitunter verschwenderisch gross sind. Ein Ahornbaum verteilt Tausende von Samen, aus denen am Ende vielleicht nur ein einziger neuer Baum wächst. Aus Froschlaich wachsen hunderte von Kaulquappen, von denen nur wenige zu Fröschen werden. Die Biodiversität ist quasi Garant für die Resilienz des Ökosystems.


Bei sozialen und ökonomischen Systemen bedeutet Resilienz nicht zwingend, dass das System nach der Krise gleich funktionieren muss wie vorher. Es kann sich an neue, durch die Krise veränderte Rahmenbedingungen anpassen und seine Ziele weiterhin erreichen, vielleicht einfach anders als vorher. Möglich ist dies, weil wir Menschen fähig sind, diese Systeme aktiv weiterzuentwickeln.


Wichtig ist, dass die Ziele bekannt sind, die wir mit dem System erreichen wollen. Was sind beispielsweise die Ziele einer Volkswirtschaft eines Landes? Geht es darum, immer zu wachsen? Oder Vollbeschäftigung zu erzielen, die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern zu gewährleisten und die Inflation gering zu halten? Oder die Umwelt und die Lebensgrundlagen zu schützen? Es ist Sache der Politik, diese Ziele festzulegen. Je nach Ziel braucht es andere Massnahmen, um die Resilienz des Systems sicherzustellen.

Eine resiliente Wirtschaft ist damit nicht automatisch auch eine ökologische Wirtschaft, es kann sogar das Gegenteil eintreffen. Dies zeigt sich bei den unterbrochenen Lieferketten während der Coronakrise und den möglichen Reaktionen für die Zukunft:


  • Reaktion 1: Unternehmen überlegen sich, ihre Rohstoffe und Vorprodukte wieder verstärkt aus der Nähe zu beziehen, um damit ihre Lieferketten wieder resilienter zu machen. Das bietet ökologische Vorteile, weil damit die Transportdistanzen abnehmen. Eine Win-win-Situation.

  • Reaktion 2: Vergrössern die Unternehmen hingegen vorsorglich die Vorräte (wie beispielsweise Medikamente) oder die Redundanzen (zusätzliche Transportrouten, zusätzliche Produktions- oder Lagerkapazitäten), so kann das ökologisch negativ zu Buche schlagen, besonders dann, wenn die Kapazitäten und Vorräte gar nie genutzt werden.


Sicher ist hingegen, dass unser exzessiver und weiter steigender Verbrauch von Ressourcen und die Zerstörung von Ökosystemen die Resilienzfähigkeit unserer Wirtschaft immer stärker beeinträchtigt. Wenn wir die Ressourcen bis ans Limit ausbeuten, dann wächst die Krisenanfälligkeit, weil es an Puffern und Alternativen fehlt. Hier kommt das Konzept der «planetaren Grenzen» ins Spiel: Wir dürfen langfristig nicht mehr Ressourcen verbrauchen, als unser Planet zur Verfügung stellt. Lösungsansätze, die uns in die richtige Richtung bringen, sind die Kreislaufwirtschaft, ressourcenschonender Konsum oder suffiziente Verhaltensweisen – genau die Ansätze, die das One Planet Lab fördert und unterstützt.


Grundsätzlich gilt: Je mehr einseitige Abhängigkeiten in einem System existieren, desto geringer ist seine Resilienz und desto gefährdeter ist es. Dazu zählt – neben derjenigen von knappen Ressourcen – allen voran der Zwang zum Wachstum. Viele tragende Elemente unserer Gesellschaft funktionieren heute nur, weil die Wirtschaft ständig wächst, zum Beispiel das Gesundheitswesen, die Altersvorsorge oder der Unterhalt der Infrastrukturen. Stagniert die Wirtschaft in einer Krise, sind diese Errungenschaften schnell gefährdet. Doch auch da gibt es Lösungswege: Wir müssen sie neu strukturieren, so dass sie weniger stark vom Wachstum abhängen. Wie das gehen könnte, zeigen wir in einem späteren Blog-Beitrag.


Mein Fazit zum Modewort Resilienz: Erstens: Resilient heisst nicht zwingend umweltfreundlich. Zweitens: Eine resiliente Wirtschaft ist nur zu haben, indem wir die planetaren Grenzen respektieren und die Abhängigkeit vom Wachstum reduzieren.


Im nächsten Rethink-Now-Blog gehen wir der Frage nach, ob der stete Wachstumsdruck, dem Unternehmen ausgesetzt sind, nützlich oder schädlich ist für die Unternehmen und die Gesellschaft. Er erscheint Anfang März.




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