Schweizerinnen und Schweizer produzieren pro Kopf und Jahr 23,4 kg Elektroschrott. Der Ressourcenbedarf und, als logischer Schluss, der Ressourcenverbrauch sind also enorm hoch. Ein Luxus, den wir uns nicht länger leisten können, wenn wir der Biodiversitäts- und Klimakrise entgegenwirken oder den sozial fragwürdigen Abbau von Ressourcen für die Produktion von Elektronikprodukten im globalen Süden nicht noch weiter unterstützen wollen. Doch wie so oft angesichts komplexer Probleme fragen wir uns: Wo sind unsere Hebel, um etwas zu verändern? Eine Möglichkeit ist das Recht auf Reparatur, viel bekannter im Englischen als «Right to repair».
Was ist das Recht auf Reparatur und warum ist es wichtig?
«Right to repair», «R2R» oder auf Deutsch «das Recht auf Reparatur», ist eine Forderung, die dem Konzept der Kreislaufwirtschaft entspringt. Hintergrundinformationen finden sich in unserem Wissensartikel zur Kreislaufwirtschaft. Um die Kreislaufwirtschaft zu fördern, wurde in den letzten Jahren der Schwerpunkt auf eine gut funktionierende Abfallwirtschaft und die Entwicklung effizienter Recyclingsysteme gelegt. Allerdings besteht nur ein kleiner Teil unserer Konsumgüter aus recycelten Materialien. Deshalb ist es wichtig, dass wir auch ein anderes Prinzip der Kreislaufwirtschaft besser umsetzen: Die Lebensdauer von Produkten zu verlängern, indem wir sie reparieren.
Natürlich ist eine Reparatur, zumindest heute, zeitaufwändiger und oft auch teurer, als ein neues Gerät online zu kaufen und das alte in den (Elektro-)Müll zu werfen. Greenpeace zeigt aber in seiner Studie «Ökologische Auswirkungen einer längeren Nutzungsdauer von Produkten» deutlich, dass sich dieser kleine Aufwand für die Gesellschaft lohnt. Würden alle Smartphones in der Schweiz (durchschnittliche Nutzungsdauer 2,3 Jahre) drei Jahre länger nutzt, hätte die Schweiz einen um 96'000 Tonnen CO2-Äquivalente kleineren Fussabdruck pro Jahr - so viel CO2 wird emittiert, wenn man mit dem Auto 11'000 Mal um den Äquator fahren würde!
Right to Repair als Prinzip
Der Begriff «Recht auf Reparatur» ist eher als ein weit gefasster Grundsatz zu verstehen. Um die Lebensdauer unserer Produkte zu verlängern, gibt es verschiedene mögliche Ansätze und Massnahmen, die sich unter diesem Prinzip zusammenfassen lassen. Diese Maßnahmen können von den Behörden durch spezifische Vorschriften auf nationaler Ebene durchgesetzt oder als freiwillige Maßnahmen von Herstellerfirmen und Einzelhändlern ergriffen werden. Einige davon werden im Folgenden vorgestellt:
Bekämpfung der geplanten Obsoleszenz Geplante Obsoleszenz beschreibt die geplante Kurzlebigkeit von Produkten. Es ist mehr als eine Verschwörungstheorie, dass Hersteller, vor allem im Elektronikbereich, absichtlich Artikel produzieren, die nach zu kurzer Zeit ersetzt werden müssen. Dies geschieht aus dem einfachen Grund, dass es profitabler ist, ein Produkt z.B. alle 4 Jahre zu verkaufen als nur alle 8 Jahre, weil das Produkt so lange funktioniert. Dem zugrunde liegt auch der Wachstumsdruck, unter dem die Unternehmen stehen, sowie unserer Art zu konsumieren. Geplante Obsoleszenz kann zum Beispiel politisch bekämpft werden – wie es die Organisation «Halte à l’obsolescence programmé» tut.
Durchsetzung und Umsetzung des Ökodesigns Eine weitere Antwort auf geplante Obsoleszenz ist Ökodesign. Ökologisches/zirkuläres oder nachhaltiges Design soll den größtmöglichen Nutzen mit einer sinnvollen Nutzung der verfügbaren Ressourcen, mit minimalen Umweltauswirkungen und sozial gerechten Bedingungen schaffen. Designer müssen den gesamten Produktlebenszyklus nach Nachhaltigkeitskriterien durchleuchten (siehe dieses Dokument von NFP73 und LACE). Dazu gehört auch, die Möglichkeit der Reparatur bereits in der Designphase zu berücksichtigen – anders als bei iPhones, die vom Nutzer nicht mehr geöffnet werden können.
Erleichterung des Zugangs zu Ersatzteilen
Die Hersteller bestimmter Produktgruppen sind beispielsweise auf europäischer Ebene verpflichtet, zehn Jahre lang Ersatzteile für ihre Produkte herzustellen. Dadurch wird sichergestellt, dass das Produkt auch nach mehreren Jahren noch am Leben erhalten werden kann. Dies sollte auch für Software-Updates gelten - was vor allem bei Computern oder Smartphones immer wieder ein Thema ist.
Zugang zu Informationen gewähren
Neben den Ersatzteilen sollten die Verbraucher auch Zugang zu Bedienungsanleitungen, Handbüchern und Supportanleitungen haben.
Die Schweizer Bevölkerung will mehr reparieren
Verschiedene Initiativen fordern im Rahmen von «Right to repair» stärkere Bestimmungen in der Schweizer Wirtschaft. So zum Beispiel Greenpeace oder eine Koalition um NoOPS, Sanu durabilitas, WWF, Swiss Cleantech, Impact Hub und vielen weiteren. Das dazu angefertigte Mediendossier findet sich hier.
Eine Studie von Greenpeace zeigt: Auch die Schweizer Bevölkerung wäre bereit für starke Massnahmen im Bereich Reparatur. Über 60 % der Befragten stimmen strengeren Auflagen für Produzent:innen deutlich zu.
Abbildung 1:Eine Studie von Greenpeace zeigt die Bereitschaft für Massnahmen, die die Langlebigkeit von Produkten fördern
Die Europäische Union kennt seit März 2021 ein Gesetz, das Produzenten verpflichtet, Ersatzteile für ihre Geräte bereitzustellen. Die Schweiz hat Bestimmungen davon für verschiedene Produktgruppen übernommen. Sie hinkt aber punkto Bestimmungen, die die Produktlebenszyklen verlängern, weiter hinterher. Frankreich kennt beispielsweise bereits einen Index in fünf Produktkategorien wie z.B. Smartphones, Laptops oder Waschmaschinen, der angibt, wie leicht die Geräte zu reparieren sind. Kund:innen und Produzenten sollen so dazu gebracht werden, leicht reparierbare Geräte zu kaufen beziehungsweise reparierfreundlichere Produkte herzustellen.
Weitere Unterlagen zu diesem Thema findest du hier:
🎥 Videos
📃 Artikel, Studien und Literatur
🎧 Podcasts
📃 Buch: The Right to Repair von Aaron Perzanowski
📃 Ein Blog der New Your Times «What you should know about right to repair»
📃 Eine Studie von Greenpeace zum Impact von Kreislaufwirtschaft
📃 Eine repräsentative Umfrage von Greenpeace zur Bereitschaft zu Reparaturen in der Schweiz
📃 Die europäische Bewegung Right to repair versucht mit einem internationalen Netzwerk etwas zu bewirken
📃 Der Verein NoOPS hat sich zum Ziel gesetzt, die Bürger:innen für die Herausforderungen im Zusammenhang mit geplanter Obsoleszenz zu sensibilisieren, um gemeinsam zu handeln
📃 Auch das Halte à l’obsolescence programmée setzt sich international für Massnahmen und neue Gesetze ein
📃 Die Koalition «Lang leben unsere Produkte» setzt sich für mehr Kreislaufwirtschaft in der Schweiz ein
Quellen:
New York Times: https://www.nytimes.com/wirecutter/blog/what-is-right-to-repair/
Stead & Coulton: https://web.archive.org/web/20220619010813id_/https://dl.designresearchsociety.org/cgi/viewcontent.cgi?article=3067&context=drs-conference-papers
Bodek:
Repair.eu: https://repair.eu/fr/
Halte à l'obsolescence: https://www.halteobsolescence.org/lindice-de-reparabilite-tient-il-ses-promesses/
Noops: https://noops.ch/
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